Männlichkeiten
Wochenthema
BLOGBERICHTE
-> Rückblick zum Wochenthema "Kritische Männlichkeiten" - Im Mai letzten Jahres haben wir uns intensiv mit dem Thema "Männlichkeiten" beschäftigt. Elias Schmider hat seine Erfahrungen mit uns in der Gruppe geteilt.
Habe ich mich schon Mal mit Männlichkeiten auseinandergesetzt?
In meiner Erziehung war Männlichkeit kein großes Thema, weder zu Hause noch in der Schule. Erst mit meiner Politisierung, habe ich angefangen, mich damit zu beschäftigen. Seitdem ich meine feministische Reise begonnen habe, setze ich mich mehr und mehr kritisch mit dem Thema Männlichkeit auseinander. Es ist für mich immer wieder erstaunlich zu erkennen, wie wichtig die Debatte um Männlichkeit für den Feminismus ist und was sich von dem gesellschaftlichen Bild von Männern alles ableiten lässt im Bezug auf Sexismus und patriarchale Strukturen in der Gesellschaft.
Hatte oder habe ich manchmal das Gefühl dem Mannsein nicht gerecht zu werden? Wieso?
Für mich persönlich, gibt es viele Situationen im Alltag, in denen ich mich selbst nicht „männlich“ genug fühle oder in denen ich Angst habe, von anderen als „nicht männlich genug“ eingeschätzt zu werden. Das fängt bei oberflächlichen Dingen an, wie z.B., dass man oft als nur als männlich angesehen wird, wenn man einen muskulösen, sportlichen Körper hat. „Unsportliche“, sehr schlanke oder sehr dicke Männer gelten als nicht männlich, nicht attraktiv und schwach. Wenn in den Medien Produkte für Männer beworben werden, haben die Models in der Regel muskulöse, makellose Körper. Weiter wird die Angst „nicht männlich genug“ zu sein bei mir getriggert, wenn bestimmte Eigenschaften gefragt sind, die allgemein Männern unterstellt werden, wie z.B. handwerkliches Geschick oder Kenntnisse zu typischen „Männerthemen“ wie Autos, Fußball, etc. Da viele dieser Eigenschaften nicht zu meinen Stärken bzw. Interessen gehören, fühle ich mich oft so, als müsste ich mich vor anderen dafür rechtfertigen, nicht derjenige zu sein, der jetzt z.B. den Schrank zusammenbauen kann oder ähnliches. Andersherum fühle ich mich oft so, als müsste ich meine typisch weiblichen Eig0enschaften oder Interessen vor anderen verstecken. Mir fällt es beispielsweise schwer, vor anderen zu weinen oder meine ehrlichen Gefühle zu zeigen. Ich schäme mich in eher toxisch männlichen Umfeldern (Umkleidekabine beim Fußball, etc.) für meine eigentlichen Interessen und gebe stattdessen an, gerne Bier zu trinken und sexistischen Deutschrap zu hören. In diesen Umfeldern bekomme ich zusätzlich das Gefühl vermittelt, unbedingt meine Heterosexualität betonen zu müssen. Man wird auch dazu ermutigt, herablassend über Frauen zu reden, um noch „männlicher“ zu sein. Zum Glück ist das nicht überall so krass. Ich habe aber bestimmte Eigenschaften und Interessen, die von den wenigsten Menschen einfach akzeptiert und verstanden werden. Zumindest fühlt es sich für mich so an, wenn ich die Reaktionen darauf beobachte. Beispielsweise habe ich mich lange nicht getraut Nagellack zu tragen, weil es nicht dem gesellschaftlichen Bild eines Mannes entspricht. Tatsächlich komme ich auch des Öfteren in die Situation, mich dafür erklären zu müssen. Ich denke, ähnlich geht es Männern, die beispielsweise lange Haare tragen oder gerne Kleider anziehen. Seitdem ich mich mit kritischer Männlichkeit beschäftige, versuche ich mich nicht mehr zu verstellen und einfach so zu sein, wie ich bin, um damit auch bewusst ein Vorbild zu sein, für alle, die unter toxischer Männlichkeit leiden.
Spreche ich über meine Probleme und Gefühle mit meinen männlichen Freunden?
Wenn ich das Bedürfnis habe, meine Gefühle mit einer Person zu teilen, oder einen Rat brauche, wende ich mich oft eher an meine weiblichen Freundinnen als an meine männlichen Freunde. Sicherlich hat das auch mit den Rollenbildern zu tun, die ich in meinem Kopf habe. Zum einen denke ich automatisch, dass meine weiblichen Freundinnen empathischer sind. Natürlich weiß ich, dass das nicht stimmt. Da Männern aber vermittelt wird, dass sie ihre Gefühle nicht offen zeigen sollen, hält man seine männlichen Freunde für weniger empathisch und weniger emotional, obwohl sie ihre Gefühle womöglich nur verheimlichen, um in das Rollenbild eines Mannes zu passen. Zum anderen habe ich das Gefühl, dass meine männlichen Freunde vielleicht schlecht von mir denken könnten, wenn ich offen über meine Gefühle spreche. Dass das einer Freundschaft nicht guttut, ist mir mittlerweile bewusst.
Was wünsche ich mir in Bezug auf Männlichkeiten von der Gesellschaft?
Ich würde mir wünschen, dass ein grundlegendes Umdenken stattfindet in der Gesellschaft. Ich wünsche mir, dass die Gesellschaft erkennt, dass alles was als „typisch männlich“ oder „typisch weiblich“ bezeichnet wird, von uns Menschen selbst konstruiert wurde. Ich wünsche mir, dass wir aufhören, Rollenklischees zu reproduzieren und, dass wir immer mehr dazu tendieren unsere Kinder genderneutral zu erziehen. Ich denke, dass das der Grundstein sein kann, damit die Gesellschaft offener mit dem Thema Männlichkeit umgeht und damit weniger Menschen unter toxischer Männlichkeit leiden.
Materialempfehlungen:
Podcast - Feminismus mit Vorsatz: Männlichkeiten - dann lieber doch Mensch sein
Kritische Männlichkeit - Ein pro_feministischer Blog, der sich mit Themen der Männlichkeit und darüber hinaus auseinandersetzt
Männlichkeit unter Beweis: Männer auf dem Weg zu sich selbst – RABIAT!