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Luisa Brauch

8/12/20235 min read

Vor einigen Monaten gingen zwei Bilder von Kim Kardashian viral. Es zeigte sie bei der selben Talkshow mit ein paar Jahren Abstand. Auf dem ersten Bild sieht sie aus, wie sie bekannt wurde: schlank, aber sehr curvy und mit vollem Dekolleté. Auf dem zweiten ist sie sehr viel dünner und auch ihre Brustimplantate sind wohl entfernt worden.


Für viele war das eine klare Message: curvy ist out, sehr dünn wieder in. Und auch wenn Kim Kardashian für viele kein direktes Vorbild sein mag, so ist sie doch eine Repräsentantin der westlichen High Fashion-Szene. Gleichzeitig scheinen mit anderen Modetrends die 2000er wieder
zurück zu sein. Modetrends die also auch Kim Kardashians Wandel unterstreichen, denn in der Low Waist Jeans ist meist kein Platz für eine breitere Hüfte oder eine Wölbung am Bauch. All das macht deutlich: Von einer Saison auf die andere können Schönheitsideale eine 180 Grad Wende machen. Etwas auf das wir lange hingearbeitet haben, etwas das wir vielleicht gerade mochten, wird plötzlich wieder zum Objekt des Hasses.


Doch warum tun wir uns das an? Warum wollen wir so unbedingt schön sein?
'Schönheitswahn' ist kein modernes Phänomen. Solange es Menschen gibt, beschäftigt uns unser Aussehen. Im Mittelalter zupften sich die Frauen ihren Haaransatz um eine höhere Stirn zu haben, in China banden sich Frauen ihre Zehen unter den Fuß, weil kleine Füße angesagt waren. Dabei zeigt ein Blick in die Geschichte, dass immer das als schön galt, was die meisten der Gesellschaft
nicht haben konnten. Im europäischen Mittelalter wollten Frauen möglichst hell sein, da dunklere Hauttypen den Bauern zugeschrieben wurden, die auf dem Feld und unter der Sonne arbeiten mussten. In Gesellschaften mit viel Armut und Hunger galten fülligere Körper als ein Zeichen von Wohlstand. In unseren westlichen Ländern, in denen die breite Masse der Menschen mehr als genug zu essen hat, wird Übergewicht oft mit Faulheit in Verbindung gebracht (zu Unrecht natürlich). Wer
jedoch schlank ist -so heißt es- hat z.B. die Ressourcen sich gesund zu ernähren und regelmäßig einem Sport nachzugehen. Aber schön ist auch wer viel Geld hat, denn die immer beliebter werdenden Schönheitsoperationen sind teuer.


Es geht dabei um mehr als das reine 'schön sein'. Es geht darum etwas zu verkörpern, eine soziale Schicht, einen Bildungsgrad, vielleicht sogar eine politische Richtung. So kommt es, dass sich auch innerhalb einer Kultur verschiedene Schönheitsideale entwickeln. Menschen unterschiedlicher Bildungs- oder Einkommensschichten wollen sich voneinander abgrenzen. Es geht um Zugehörigkeit und um Macht.
Dabei ist es vollkommen okay sich selbst attraktiv finden zu wollen, das Problem ist jedoch, dass Schönheitstrends, wie bereits gesagt, oft möglichst unrealistisch sind, denn das was alle haben können ist uninteressant. Somit werden die Schönheitsideale immer unrealistischer und sind teilweise auf natürliche Art und Weise nicht mehr erreichbar. Selbst die „Schönsten der Schönen“ werden durch Schönheitsoperationen und Photoshop weiter optimiert.

Bereits in den 60er Jahren hatte eine Gruppe mehrgewichtiger Frauen darauf keine Lust mehr. Sie trafen sich im Central Park in New York und demonstrierten vor allem gegen Fat-Shaming. Heute ist der Hashtag #bodypositivity mit aktuell über elf Millionen Beiträgen einer der meist genutzten Hashtags auf Instagram. Der Begriff ist in aller Munde, wird heiß diskutiert und oft auch missverstanden. Wofür also steht Body Positivity? Body Positivity ist der Gegensatz zu unserer allgemeinen Schönheitskultur, in der es stetig darum geht sich selbst zu verändern und zu optimieren. Es geht darum seinen Körper zu feiern, ihn so zu zeigen wie er ist und unabhängig von aktuellen Schönheitsidealen zu lieben. Es ist das Verständnis
seinem eigenen Körper und dem Körper anderer Menschen respektvoll und wertschätzend zu begegnen. Seinen Körper zu lieben bedeutet jedoch nicht, dass man nicht an ihm arbeiten oder ihn verändern darf. Wir dürfen uns mit mehr Kilos lieben und uns dennoch im Fitnessstudio anmelden. Wir dürfen unsere Naturhaarfarbe schön finden und dennoch mal etwas anderes ausprobieren.

Body Positivity ist dabei auch eine Aufforderung in den Medien nicht nur junge, weiße, schlanke Menschen zu zeigen, sondern Diversität vorzuleben und realistische Schönheitsbilder zu fördern. Die Tatsache, dass der Hashtag derartig oft verwendet wird (und tatsächlich dazugeführt hat, dass sich das Bild der Medien/Werbung wandelt) zeigt, wie groß das Bedürfnis ist sich in seinem Körper wohlfühlen zu dürfen. Gleichzeitig ist aus einer mutigen Bewegung auch eine Art Trend und eben auch ein Hashtag geworden, der mittlerweile meist von normschönen, schlanken, jungen und weißen Frauen verwendet wird. Natürlich ist Body Positivity für alle da und es ist schwer von außen zu beurteilen, wie wohl sich ein Mensch in seinem eigenen Körper fühlt (nur weil du
jemanden schön findest, heißt dies noch lange nicht, dass die Person sich selbst schön findet). Doch wenn eben hauptsächlich normschöne Menschen den Hashtag benutzen, kann dies dazu führen, dass sich z.B. mehrgewichtige Frauen oder Menschen mit Behinderung wieder von der Bewegung ausgegrenzt und ungesehen fühlen. Es wird auch kritisiert, dass die Aufforderung sich immer zu lieben und schön zu finden, einen weiteren Druck erzeugen kann und damit eventuell das nächste unrealistische Ideal geschaffen
wird. Außerdem steht der Körper weiterhin im Fokus und wird weiterhin bewertet (wenn auch auf positive Art und Weise). Vor einigen Jahren entstand dadurch eine weitere Bewegung, nämlich die der Body Neutrality. Hier soll die Aufmerksamkeit ganz weggelenkt werden von Äußerlichkeiten. Es geht, wie der Name schon sagt, darum seinem Körper neutral gegenüber zu stehen. Ihn also weder zu hassen noch zu leben und ihn somit einfach zu akzeptieren. Für manche kann das ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einem positiven Selbstbild sein, für andere ist genau dies das eigentliche Ziel. Denn sich nicht permanent Gedanken über sein Aussehen zu machen (unabhängig davon ob diese Gedanken positiv oder negativ sind) kann für viele Menschen befreiend sein.


Generell sollten wir wohl lernen unseren Selbstwert nicht von unserem Äußeren abhängig zu machen. Man sollte sich zudem darüber bewusst sein, wie viele Menschen daran verdienen, dass du denkst du seiest nicht genug. Allein in Deutschland macht die Beauty- und Kosmetikindustrie jährlich (!) einen Umsatz von mehreren Milliarden Euro, in dem sie, vor allem Frauen, einredet sie
bräuchten noch diese und jene Creme um endlich schön und glücklich zu sein. Manche sehen darin sogar eine Form internalisierter Misogynie um (vor allem) Frauen klein zu halten. Wer permanent an sich zweifelt und sich rundum nur mit seinem Körper und Aussehen beschäftigt, hat weniger Zeit für die wirklich wichtigen Dinge. (Laut der englischen Psychologin Susie Obach denkt eine Frau alle 15 Minuten über ihr Aussehen nach). Auf Instagram stieß ich mal auf die Frage, wie viele
Frauen wohl aufgrund eines Armkomplexes nicht ihre Hand in einem Meeting heben.
Dabei ist es auch wichtig sich vor Augen zu führen, dass das Schönheitsbild eben kein statisches Ideal ist, sondern sich permanent im Laufe der Zeit in teilweise gegenteilige Extreme umwandelt. Genau wie die Schönheitsideale verändert sich auch unser Körper ständig und das unser Leben lang. Und das ist gut so, denn nur so kann er sich neuen Gegebenheiten anpassen und vielleicht sogar einen neuen Menschen kreieren. Mir hilft es zudem, mir immer wieder bewusst zu machen wie viel mein Körper täglich für mich tut, denn er ist so viel mehr als ein Objekt der Schönheit oder ein Statussymbol. Wir verdanken ihm unser Leben. Und falls es dir heute noch keiner gesagt hat: Du bist schön und gut so wie du bist!:)

Fragen zum Reflektieren:

Was war das erste an meinem Körper, das mich gestört hat?
Warum ist es mir wichtig, schön zu sein?
Was bewerte ich an anderen Körpern als schön und hässlich?
Von welchen „Schönheitsfesseln“ konnte ich mich schon befreien?
Welchen Umgang mit meinem und anderen Körpern möchte ich gerne haben?
Was kann ich und die Gesellschaft dafür tun?

Quellen:

Endlich Frieden mit deinem Körper?

Body Positivity Kritik: Was Body Positivity nicht ist

"Das Ziel ist nicht, sein Pickel schön zu finden" Artikel Zeit