FDG beim Sound of the Forest 2023

Veranstaltung

VERANSTALTUNGSBERICHTE

Rahel Koch

8/11/20235 min read

Das Sound of the Forest, ein Festival mit vielen Indie Bands und vielen weiblichen Artists – mehr als oft auf anderen Festivals vertreten sind, beschreibt sich auf seiner Webseite als „Spielplatz für open minded people“. Hier scheint Feminismus irgendwie selbstverständlich und ein feministischer Stand könnte vielleicht sogar als überflüssig gesehen werden.

Trotzdem besuchten wir vom Feministischen Dorfgeflüster das kleine Festival im Odenwald. Und tatsächlich – die Gespräche mit den Festivalbesucher*Innen zeigten uns, dass unser Stand alles andere als überflüssig ist. Vorbereitet hatten wir unter anderem Stationen zum Hinterfragen von Rollenbildern, allgemeine Reflektionsfragen, eine Bücherecke und eine Vulvamalecke, in der Vulmandalas ausgemalt werden konnten.

Wir kamen viel mit den Besucher*Innen unseres Standes ins Gespräch. Viele erzählten, dass sie selbst auf dem Land aufgewachsen seien, mit wenig Berührung zu feministischen Themen und deshalb unsere Vision - feministischen Austausch vor allem auf dem Land zu schaffen - auch persönlich unterstützenswert fanden. Einige Menschen erzählten von ihren persönlichen Erfahrungen mit Sexismus oder wie sie mit Rollenbildern aufgewachsen sind. Hierfür hatten wir eine interaktive Station eingerichtet, auf der man sich mit Klebepunkten auf einer Skala einordnen konnte, wie sehr man denkt mit typischen Rollenbildern aufgewachsen zu sein. Die Punkte reichten von einem Ende der Skala, mit Einstufung „sehr“ zum anderen Ende mit Einstufung „kaum“. Die Punkte häuften sich aber rechts der Mitte in Richtung „sehr“.

Zu dieser Station teilten viele Besucher*Innen ihre persönlichen Erfahrungen mit uns. Ein Mitte 20-jähriger Besucher erzählte, dass seine Generation in seinem Dorf noch sehr stark mit typischen Rollenbildern aufgewachsen sei. Er hoffe, in 10 Jahren wachsen auch dort die Menschen anders auf. Eine Besucherin in einem ähnlichen Alter schätzte ein, dass ihre Generation sich schon sehr aus den Rollenbildern herauskämpft, die einem beim Aufwachsen mitgegeben wurden. Von Feminismus allgemein haben aber viele der Besucher*Innen die auf dem Dorf aufgewachsen sind während ihrer Jugend kaum etwas mitbekommen. Ausnahmen bildeten Besucher*Innen wie eine, deren Mutter schon feministisch aktiv war, allerdings erzählte sie auch, dass das Thema bei ihr auf dem Dorf sonst nicht angesprochen wurde. Andere Besucher*Innen aus kleineren und größeren Städten erzählten, dass Feminismus bei ihnen in der Schule tatsächlich ein Thema war. Teilweise galt es sogar als „cool“ sich damit auseinanderzusetzen.

Auch, was diese typischen Rollenbilder beinhalten, konnte an unserem Stand interaktiv hinterfragt werden. Hierzu konnte auf Plakaten aufgeschrieben werden, was als typisch männlich und typisch weiblich gesehen wird und was für Probleme das mit sich bringen könnte. Hier erzählten auch wieder einige Besucher*Innen von ihren persönlichen Erfahrungen. Ein Begriff, der als „typisch weiblich“ aufgeschrieben wurde, war zum Beispiel „zurückstecken“. Eine Besucherin bestätigte, dass sie dieses „zurückstecken“ bei vielen Frauen wahrnehme und dies auch oft erwartet werde. Gerade zum Beispiel bei ihrer eigenen Mutter, die oft sagte „die Klügere gibt nach“ und dann bei Themen wie Mutterschaft zurückstecken musste. Solche Ideen, wie Frauen sich zu verhalten haben schadet ganz offensichtlich Beziehungen und der persönlichen Entfaltung.

Viele erzählten von ihren allgemeinen Erfahrungen auf den Dörfern, auf denen sie aufgewachsen sind. So schätzten einige Besucher*Innen ein, dass vor allem ältere Menschen weniger mitbekommen und vor allem auf dem Dorf verklemmter seien. Die jüngere Generation, mit Zugang zum Internet, schätzten sie als aufgeklärter und offener ein. Aber trotzdem sei es schwieriger, das Thema in ihren Heimatdörfern offen anzusprechen und vor allem typische Rollenbilder kritisch zu hinterfragen. Dies würde oft negativ aufgenommen. Die meisten unserer Standbesucher*Innen kamen zwar aus Dörfern und Kleinstädten, zogen aber oft nach dem Schulabschluss in größere Städte. Hier erzählten viele, wie sich ihr Heimatdorf wie eine andere Welt anfühle und dass sie wenig Interesse haben dorthin wieder zurückzuziehen. Das liege auch daran, dass alles gleichbleibe und kein Platz zum Hinterfragen sei. Auch gleichgesinnte Menschen fehlen, weswegen sich einige auch über feministische Initiativen in ihren Heimatorten freuen würden. Vor allem jene, die doch überlegen wieder aufs Land zu ziehen sagten, solche Initiativen würden es ihnen leichter machen diese Entscheidung zu treffen. Generell gab es also zwar ein durchmischtes Bild an Erfahrungen, aber vor allem Besucher*Innen die auf dem Land aufgewachsen sind, hatten wenig Kontakt zu Feminismus währen ihres Aufwachsens. Dies ist etwas, was sich vielleicht mit der Zeit ändert, aber viele Dinge bleiben leider nun doch oft gleich in der Heimat und diese zu hinterfragen ist oft nicht einfach. Aber gerade die jüngere Generation scheint sich vermehrt mit Themen wie Gleichberechtigung zu beschäftigen, vor allem über das Internet. Austauschräume, wie die, die durch FDG geschaffen werden, werden aber gerade im ländlichen Raum benötigt.

Unser Stand bot zudem Zettel mit weiteren Reflektionsfragen an, die sich die Besucher*Innen gegenseitig stellen oder mit uns diskutieren konnten. Diese Fragen zu beantworten, wurde nicht immer als einfach wahrgenommen. Und gerade auf Fragen wie „Ich bin Feministin, weil…“ gab es sehr individuelle Antworten. Über Fragen wie „Worüber streitest du dich mit anderen Feminist*Innen?“ wurden interessante Diskussionen geführt. Fragen wie „Wovon träumst du?“ luden dazu ein, eigene Utopien zu entwickeln.

Zum Entspannen vom ganzen Festivaltrubel bat unser Stand eine Bücherecke und eine Vulvamalecke. Hier gab es Bücher, die zum Beispiel Frauen vorstellten, die Großes geleistet haben, was sich gut eignete zum Durchblättern und Schmökern, aber auch textintensivere Bücher, bei denen sich vorgenommen werden konnte, diese ganz sicher nach dem Festival selbst zu kaufen und zu lesen. In der Vulvamalecke konnten Vulvamandalas ausgemalt werden. Diese Aktivität zog viele Besucher*Innen an und lud dazu ein, auch seine eigene Vulva in einem neuen Licht zu sehen, während man die Vulven auf Papier mit Glitzer anmalte und sich genauer mit der Form auseinandersetzte. Auch wir haben vermutlich noch nie so oft in unserem Leben das Wort „Vulva“ gebraucht wie dieses Wochenende, wenn wir auf unsere Vulvamalecke verwiesen.

Insgesamt hatten wir also ein tolles Festival mit sehr viel Austausch aber auch mit etwas Matsch und Regen. Wir konnten sehen, dass feministischer Austausch auch in anderen Dörfern benötigt wird und dass es möglich ist, über viele verschiedenen Themen in einen konstruktiven Austausch zu gelangen.